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Unser Repertoire bei der Lyra

Ich weiß, ich weiß, eigentlich sollen wir Notenblätter nicht mit nach Hause nehmen.
Aber wenn wir schon vor Corona uns zu Hause auf Auftritte vorbereiten sollten, geht
es einfach nicht anders. Ein ganzer Packen Notenblätter liegt vor mir auf dem
Schreibtisch, gehen wir ihn doch mal durch. Stimmt denn das Vorurteil von den
„konservativen Gesangsvereinen“, die sich „notwendigen Veränderungen
verschließen“ wirklich? „Unchained Melody“ – „oh my love, my darling, I’ve hungered
for your touch“ – ja, so „konservativ und langweilig“ möchte eine Frau unserer Zeit
sicherlich nicht besungen werden, oder? So getan bei unserem letzten Konzert vor
Corona im Zehntkeller. Na, meine Damen, wie wäre es? Sie schicken Ihre
Ehemänner, Freunde, „Kegel“ zu uns und dann lernen die mal was Schönes und
Romantisches! Und Sie profitieren auch noch davon! Schauen wir mal weiter: „The
Salley Gardens“, eine piano beginnende und dann forte endende irische Ballade,
auch vom letzten Konzert „In a field by the river, my love and I did stand, and on my
leaning shoulder she laid her snowwhite hand“. Und weiter: „She bid me take life
easy as the grass grows on the weirs“ Das kommt uns doch bekannt vor, das Leben
ist ernst, aber bitte nimm es leichter als es ist, damit du die Hoffnung bewahrst.
Schöner kann die Corona-Situation nicht umschrieben werden. Ja, diese romantische
Situation ist geradezu filmreif. Andere müssen dafür ins Kino, bei uns kann man
lernen, sie sich herbei zu singen. Weiter geht’s: „Vive l‘amour“. Haben wir im ganz
großen Chor zusammen mit dem Chor aus Birkenau gesungen. Ein englischer Vier-
Stimmen-Chor mit Bariton-Solo. Damit haben wir zweimal Gold gewonnen. Aber was
für eine Schur! Ständige Tempowechsel, aus dem piano ins mezzo forte, dann forte,
dann wieder zurück ins piano. Bis wir das erstmal kapiert hatten, ich weiß nicht, wie
oft unser Dirigent sich die Haare gerauft und uns alles zusammengeheißen hat.
Irgendwie war das Lied ständig schneller als man selbst die Notenblätter umblättern
konnte…Auswendig sollten wir das dann singen.12 Seiten. Keine Kleinigkeiten. Das
gab ein Murren und Gestöhne. Aber es stimmte, erst als wir es auswendig konnten,
spulte sich das Leid ab wie ein Uhrwerk und wir konnten wirklich das Tempo
forcieren, dann reduzieren, dann wirklich betonen und gewichten. Und vor allem
durch aufeinander hören und Chorklang rausholen. 60 Leute auf der Bühne, das
macht Spaß! „Let every old married man drink to his wife, the joy of his bossom and
comfort of life“. Ich durchforste weiter: „Rock mi“ – eine augenzwinkernde, saftige
Schuhplattler-Weiterentwicklung von Queens „We will rock you“. Vier-Stimmen-Chor
mit Tenor-Solo. „Wenn der Maibaum wieder am Dorfplatz steht, und sich alles um die
Madel dreht“ – nun ja eigentlich geht es in dem Lied um das Tanzen, aber wer
zwischen den Zeilen lesen kann, weiß mehr. „To Rock and roll“ war ja schon in den
1950er Jahren der Code für junge Menschen es „richtig krachen“ zu lassen und sich
konträr zu den spießigen Moralvorstellungen der Zeit zu verhalten. „Spielmann spiel
auf“ – nun ja, jetzt wird es etwas altertümlicher. Teil 2 folgt nächste Woche.

Viele Grüße, Ingo Kuntermann

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