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Don(j)a Maria

Das Lied gehört ebenfalls zum Standard-Repertoire der Lyra und wurde schon mehrfach auf Weihnachtsfeiern oder Konzerten gesungen. Das Lied entstand 1942 in Brasilien und wurde 1958 von Ralph Siegel in seine heutige deutsche Form überarbeitet. Ich weiß, ich weiß. Ralph Siegel hat mehr als 2.000 Lieder geschrieben, und war als Texter und Komponist im Prinzip für jede/n Interpret/in/en erfolgreich, die/der in den 60er-2000er Jahren in Deutschland in der Hitparade war. Das ist in der Tat eine große Lebensleistung – Respekt! Aber es ist schon auch sehr arger textlicher Kitsch, der da oftmals bei “Ralph Sögel” (so nannte ihn die frühere Kabarettgruppe “Stenkelfeld”) rauskam. So auch hier, bitte genießt JEDES Wort:

Grau verhüllt, in Lumpen, steht ein Bettler auf der Straße, an der Ecke von Rio de Janeiro. In seinen Händen hält er eine Gitarre, und schlägt leise die Akkorde, denn dabei singt er dieses Lied. Ohne zu schauen, hasten die Menschen achtlos vorbei und so bleibt der Teller leer, der einem Armen Brot geben soll. Doch plötzlich fallen zwei goldene Münzen in seinen Teller, das war Maria, die immer Gute, hat ihn gesehen und ihm gegeben, Ave Maria.

Hat das irgendetwas mit dem Ursprung des Liedes zu tun? Der brasilianische Komponist des Liedes, Herivelto Martins (1912-1992), war vor allem für seine rassigen Sambas bekannt. Da sein Ursprungstext auf Portugiesisch ist, befragte ich mal wieder die allwissende „Tante Google” und dort “Translate“ und bat um eine sinnvolle Übersetzung. Diese Version von „Don(j)a Maria“ ergibt einen ganz anderen Sinn als Siegels Master-Kitsch:

Unüberdachte Baracke aus Zinkblech, unbemalt. Dort auf dem Hügel „Baracke und Bungalow“ gibt es keine Wolkenkratzer. Weil diejenigen, die dort auf dem Hügel leben, bereits in der Nähe des Himmels sind. Die Morgen- und Dämmerungs-Symphonie von Spatzen vertreibt uns die Zeit, sie kündigen die Nacht an und die Hügelkuppe betet am Ende des Tages Ave Maria

Auch hier ist wie beim russischen „Tebe Pojem“ (zum Volkstrauertag) zu beobachten, dass die jeweiligen Ur-Komponisten eine eher resignative Grundhaltung in ihren Texten haben. So nach dem Motto, das Leben ist, wie es eben ist, was können wir schon tun. Ein leiser ironischer Ton spielt bei Martins allerdings auch mit rein; das Elendsviertel nennt er „Baracken und Bungalows“, so als ob es sich um Villen handle, mit einem schönen, exklusiven Meerblick. So als ob das Leben trotz allem Erdenschweren dennoch leicht sei. Nächste Woche geht‘s weiter.

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