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Der Sauschwob! – Teil 3

Die Lyra singt Alle Jahre wieder gerne auch inoffiziell bei ihren Adventsfeiern – so sie denn mal wieder stattfänden. Kritischer wird es bei einem anderen Lied, das textlich 1809 von Ludwig Uhland erstellt und 1825 von Silcher mit einer Melodie versehen wurde. Das Lied Ich hatt‘ einen Kameraden wird in der Regel bei den Feierlichkeiten zum Volkstrauertag durch den Posaunenchor intoniert. Aber auch die Lyra ist selbstverständlich in der Lage, dieses Lied zu singen. Schauen wir uns mal die Ur-Fassung des Textes von Uhland ganz genau an:

Ich hatt’ einen Kameraden, Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite,
In gleichem Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen,
Gilt’s mir oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen, Als wär’s ein Stück von mir.
Will mir die Hand noch reichen, Derweil ich eben lad.
Kann dir die Hand nicht geben, Bleib du im ew’gen Leben,
Mein guter Kamerad!

Über was genau hat Uhland eigentlich geschrieben? 1809 befand sich Europa mitten in den so genannten Napoleonischen Kriegen. Das Großherzogtum Baden, dessen Teil unsere Kurpfalz ja auch war, musste als Mitglied des Rheinbunds und Napoleons Verbündeter Soldaten nach Tirol gegen den Aufstand des Andreas Hofer entsenden. Um den bayerischen und französischen Truppen dort zu helfen.

Die Deutungen des Liedes gehen weit auseinander. Die Nazis haben in der Tat versucht, dieses Lied als reine Verherrlichung von Heldentod und Soldatentum umzudeuten. Das Lied lässt sich durchaus auch marschmäßig, schmissig intonieren. Einer musikalischen Dampfwalze gleich über alle Menschen gleichermaßen drüber gebügelt.

Das ist auch kein Wunder bei einem Regime, das Trauer und menschliche Gefühle instrumentalisierte und gleichzeitig der/dem Einzelnen jede Tröstung und menschliche Geste verweigerte („Ein deutscher Junge weint nicht“).

Aber ist es das, was Uhland und Silcher ausdrücken wollten? Und warum spielt der Schriesheimer Posaunenchor die Melodie eher verhalten, trauernd? Warum würden wir von der Lyra dieses Lied sehr piano bringen?

Weil dieses Lied nicht Stellung bezieht. Es ist nicht klar, wer es singt, wem es gilt. Den Badenern, den Franzosen, den Hofer-Leuten? Ein guter Freund ist tot. Wessen Freund? Niemand kann ihm helfen. Die dürren Worte lassen viel Platz für Phantasie, wie der Freund stirbt. Das Toben der Schlacht geht weiter, ein Leben vergeht. Die Trauer hat erst hinterher Platz, dann kommt sie aber mit Macht. Die Hand kann nicht nur deshalb nicht mehr gereicht werden, weil sie erkaltet ist. Nein, weil der tote Kamerad nun in einem anderen, dem ewigen Leben (für Uhland also bei Gott) ist. Er hat es nun hinter sich.

Er ist erlöst, er muss nicht mehr marschieren, nicht mehr laden und anlegen, für ihn ist keine Kugel mehr gegossen. Das Lied ist noch heute sehr populär. Es wird bei zivilen Trauerfeiern das Lied nur gespielt, wenn der Verstorbene Angehöriger des Militärs, der Freiwilligen Feuerwehr, eines Musikvereins, einer Bereitschaft des Deutschen Roten Kreuzes, einer historischen Schützenbruderschaft gewesen war.

Gesungen wird es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, in Frankreich, ja sogar in Spanien, Chile und Bulgarien.

Eigentlich hat dieses Lied auch eine aufrührerische Komponente. Es phantasiert keinen Sinn herbei. Für den Tod. Der Tod ist ganz einfach. Und lässt die Sänger und die Zuhörer mit der Frage zurück: War es das nun mit dem ewigen Leben für den Kameraden oder wie soll es weiter gehen? Welche Lehren ziehen wir daraus? Wollen wir leben, wollen wir sterben? Wie war das für unsere Vorfahren in den beiden Weltkriegen? Wie war das für alle Hinterbliebenen? Jedes Jahr stellt sich diese Frage aufs Neue. Und die Lyra ist dabei.

Nächste Woche geht’s weiter.

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Ein Gedanke zu „Der Sauschwob! – Teil 3“

  1. Die Beiträge über das Liedgut der Lyra Schriesheim lese ich mit Vergnügen. So auch über das Lied: Muss i denn…..
    Eigentlich ist folgende Geschichte, die sich tatsächlich zugetragen hat, etwas makaber (lustig).
    Bei einer Beisetzung an einem Kerwemontag?? war der Organist schon etwas angeheitert. Als der Sarg des Verstorbenen zum neben der Kirche liegenden Friedhof getragen wurde, ertönte von der Orgel das Lied “Muss i denn, muss i denn!”

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