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Das Tal in den Bergen

photo of man sitting on a cave

„Benia Calastoria“ von Guiseppe „Beppi“ de Marzi ist eine Wucht. Das liegt weniger am Text, der recht simpel ist. Der Erzähler besucht sein Heimattal und sieht, dass viele Jahre vergangen sind, seit er das letzte Mal da war. Die Menschen dort sind ihm fremd geworden und das Tal ist nicht mehr das, was es für ihn einmal war.

In den südeuropäischen Ländern sind in den letzten 5-6 Generationen Millionen Menschen aus den armen ländlichen Gegenden ohne Zukunft für die stark wachsende Bevölkerung in die großen Städte oder ins Ausland gezogen. Über die Ursache des Fortzugs äußert sich der Erzähler nicht. Nur über seine Trauer, dass die Zeit eben im Tal nicht stehen blieb und er den Ort seiner nicht selbst eingestandenen Sehnsucht nicht mehr vorfindet, den Ort möglicherweise seiner Kindheit. Das Lied läßt einen nicht unbewegt.

In der ersten Hälfte des Liedes hält der 2. Bass einen einzigen Ton, ein „Ah“ komplett durch. Es wird chorisch geatmet, so dass der Tonfluss im 2. Bass niemals abreißt. Die anderen Stimmen intonieren den Text, abwechselnd wogt die Melodie von unten nach oben, quasi wie ein Echo in den Bergen.

Der 2. Tenor zieht die Melodie rüber in den 2. Teil und nun hält der 1. Bass das permanent andauernde „Ah“ und die 3 anderen Stimmlagen spielen sich wieder das Echo der tragenden Melodie zu, dieses Mal aber in Form eines Aufbäumens, so als wolle der Erzähler damit sagen, er akzeptiere nicht, dass sich das Tal und die Zeit verändert habe und er sich selbst auch, bis hin zu einem gemeinsamen finalen Chorus, der die volle Stimmkraft aller vier Tonlagen in forte hervorbringt. Das Lied macht Gänsehaut. Es lohnt sich, in Youtube die verschiedenen Varianten anzuhören. Es ist wirklich ein Glanzstück für Männerchöre. Es ist kein reines italienisch, eher ein venezianischer Dialekt, der in diesem Valle del Chiampo wohl gesprochen wird, in dem De Marzi 1935 geboren wurde. Der Dialekt vereinigt auch Wörter, die dem Französischen verwandt scheinen. Mit klassischem Hoch-Italienisch scheint es jedenfalls nichts zu tun zu haben. De Marzi ist ein sehr bekannter italienischer Komponist, dessen Werke wir weiter studieren sollten.

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