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Wider die Unkerei

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In der Tat hat die Corona-Zeit der Chorlandschaft auch im Sängerkreis Weinheim schwere Schläge versetzt. Viele Chöre sind nicht mehr singfähig. Jedoch ist Corona nicht die Ursache dessen. Corona hat nur eine jahrelange Entwicklung noch beschleunigt. Nämlich, dass junger Nachwuchs ab 14 Jahren seit Jahrzehnten fehlt. Dass der Mittelbau der 30-50jährigen nie richtig angesprochen wurde.

Da kommt natürlich die Unkerei auf, dass der Chorgesang, ja die gesamte Vereinslandschaft auf dem abstiegenden Ast sei. Richtig, der Untergang des Abendlandes droht, der Zeitgeist weiß es, nichts bleibt daher von diesem Zeitgeist unberührt. Aber stimmt das dann auch? Mitnichten! Der Mathaisemarkt hat von A bis Z gezeigt, dass das Schwarzsehen Blödsinn ist. Lyra und Söhne Schriesheims waren auf Platz 3 des Umzugs. Wir fuhren an fast allen Zugnummer vorbei. Überall jede Menge Menschen, aber auch jede Menge von 15 bis 50 jährigen. 40 Millionen Menschen in Deutschland sind vereinsgebunden.

In der Tat wollen viele nicht mehr die Verantwortung übernehmen, da die staatlichen Regelungen und Haftungen überhand nehmen. Jedes mal, wenn die Politik davon schwätzt, die Bürokratie in Schach halten zu wollen, kommen gefühlt ein Dutzend neuer Regelungen. Dennoch: Der Mathaisemarkt hat gezeigt, die Leute wollen mitmachen, teilnehmen, teilhaben, durchaus auch in neuen Organisationsformen. “Thank you for the music”.

Schon in den Höhlen der Cro-Magnon-Menschen fand man versteinerte Überreste von Flöten. Musik und Tanz gehören zu den Grundfreuden der menschlichen Existenz seit Urzeiten. Und wenn der Staat Vereine eben weiter so drangsaliert, dann finden sich eben andere Organisationsformen. Was solls. Staaten und Staatsformen kommen und gehen, die Musik bleibt, gerade weil sie sich wandelt. Georg Bielig hat bei der Weinprämierung einen Gedanken aufgegriffen, den schon die Lyra hier im Amtsblatt letztes Jahr formuliert hatte. Er meinte, er seit nicht nur Weinbauer, sondern Kulturschaffender, also Künstler. Das finde ich auch. Und er meinte, und da stimmt die Lyra seit jeher damit überein, dass auch Gesangsvereine Künstler seien. Richtig! Nicht nur Künstler, sondern Kulturträger. Der eigenen und auch, neuer, bisher fremder.

In der Tat mag eine Gesangsstunde auf die Dauer öde sein. Wahrlich, wir lernen Neues. Aber jedes mal wieder üben wir das immer Gleiche, nie ist der Dirigent wirklich zufrieden. Jede Nuance will er herausgearbeitet sehen. Richtig nervig, der Typ. Aber eine Glanzleistung kann nur vollbringen, wer wirklich das Bestmögliche auch sich rauskitzeln kann. Kultur entsteht dann, wenn wir komplett erfassen, was so ein/e Komponist/in mühevoll gezaubert hat. Das sind wir denen schuldig.

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