Deutsches Volkslied geht nicht ohne deutsche Sprache. Und jede Sprache nimmt auch Eindrücke aus anderen Sprachen auf. Sprache ist lautmalerisch, poetisch, prosaisch, direkt, indirekt und manchmal alles zusammen und dann auch noch regional verschieden, nicht nur durch die Dialekte. Was Sprache aber verbindet, sind Floskeln und die gehen auch in Lieder ein.
Ich habe jetzt ein paar recherchiert, mit denen man früher Überraschung, Konsternierung, Entsetzen, Wachsamkeit etc. auszudrücken pflegte. Die bekannte Wendung “Mein lieber Freund und Kupferstecher” stammt von dem Dichter Friedrich Rückert (1788-1866), der seine zahlreichen Briefe an den Kupferstecher Carl Barth (1787-1853) so einleitete.
Die Redensart “Mein lieber Scholli” ist eine Verballhornung des französischen “ma chère jolie”, meine liebe Schöne. “Mein lieber Schwan” ist ein direktes Zitat aus “Lohengrin”: “Nun sei bedankt, mein lieber Schwan”. Als “Alter Schwede” wurden schwedische Veteranen bezeichnet, die nach dem Dreißigjährigen Krieg Soldaten deutscher Kleinfürsten ausbildeten. Da sie nicht allzu häufig vorkamen, konnte man sich darüber schon mal verwundern.
Der Schreckensruf “Ach du grüne Neune” bezog sich vermutlich auf das zwielichtige Berliner Tanzlokal “Conventgarten”, das im 19. Jahrhundert an der Blumenstraße Nr. 9 lag, dessen Haupteingang sich aber im Grünen Weg befand. “Mein lieber Herr Gesangsverein” ersetzte das als blasphemisch empfundene “Mein lieber Herrgott” zur Biedermeierzeit, als Männergesangsvereine wie Pilze aus dem Boden schossen. “Heilig’s Blechle”: So nannte man im schwäbischen Volksmund eine Blechmarke, die Bettler erhielten, womit sie zu Auszahlungen aus der kirchlichen Armenkasse berechtigt waren.
„Verflixt und zugenäht“ stammt wohl aus einem Studentenlied des Biedermeier mit dem folgenden sehr deutlich erotisch-gewagten Text: „Ich habe eine Liebste, die ist so wunderschön, sie zeigt mir ihre Äpfelchen, da ist’s um mich gescheh’n. Doch als mir meine Liebste der Liebe Frucht gesteht, da hab’ ich meinen Hosenlatz verflucht (!) und zugenäht.“
Die Studenten haben sich wohl auf Robert Schumanns Vertonung von Heinrich Heines „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“ bezogen und den Text noch mal sehr deftig nach-interpretiert. „Fisematenten“ machten junge Frauen, die der Einladung französischer Besatzungssoldaten während der napoleonischen Kriege folgten: Voulez vous visitez ma tente – Besuch mein Zelt. Mit allen Folgen, die das haben konnte.
Auf jeden Fall gehört zu den Fisematenten auch das Fisternöllsche (Damit sind heimliche Liebeleien gemeint). Speziell am Kölner Karneval wird daraus auch gerne das „Fastelovendsfisternöll“. Fragt man den Kölner, woher dieses wunderbare Wort stammt, antworten viele mit dem französischen Ursprung: „fils à Noel“. Wortwörtlich übersetzt bedeutet das „Sohn zu Weihnachten“. Genau, Februar plus neun.
Nächste Woche geht es weiter.