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Mein Mädchen

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Neue zweiteilige Serie

Ein weiteres, neues Lied der Lyra ist „Mein Mädchen“ von Christian Siegler. Zu Christian Siegler finden sich relativ wenige Informationen: „Chorleiter und Komponist, war Chorleiter der Sängervereinigung Sängerkranz Polyhymnia Nieder-Roden e. V. von 1934 bis 1963 und der Sängervereinigung Hausen 1881 e. V. von 1945 bis 1967.“ Ich habe keine Ahnung, wann das Lied entstanden ist, vermute aber mal, dass der Komponist irgendwann zwischen 1890 und 1910 geboren worden sein muss, also in der Tradition der schon weit vergangenen deutschen Romantik beeinflusst wurde.

Der Text geht so:
1. Strophe:
Hinter Bäumen verborgen, steht ein Häuschen ganz klein,
drinnen wohnt ein hübsches Mädchen, ach das nenne ich mein.

2. Strophe:
Hat zwei himmelblaue Augen wie die Sterne so klar,
und ein Herz voll lauter Liebe, das der Himmel bewahr.“

3. Strophe:
Wenn der Mond geht auf die Reise und die Nacht zieht herein,
sing ich Dir die kleine Weise, denn ich liebe Dich allein.

Bei der Aufführung wird immer der 2. Teil jeder Strophe quasi als Refrain wiederholt. Im Grunde genommen ist so ein Lied ein Anlass, Tränen fließen zu lassen. Der Komponist Siegler wuchs im kaiserlich-wilhelminischen Deutschland auf, kurz unterbrochen durch die Weimarer Republik, um dann als Erwachsener das Dritte Reich und mglw. das Soldatsein zu erleben. Weder im Wilhelmismus noch im Dritten Reich galt der einzelne viel. Eigentlich so gut wie nichts.

Auf „dem Feld der Ehre zu fechten“ und zu sterben hingegen sehr viel. Erziehung war auch Gehorsam ausgerichtet. Nicht auf Selbstverwirklichung. Wenn wir so wollen, sind diese romantischen Lieder der Versuch der geschundenen Männer von damals überhaupt mal in Beziehung zu Worten wie Liebe, Zuneigung und Hingabe zu kommen. Der „deutsche Mann“ war ein Marmorheld oder „hart wie Kruppstahl“, „Menschenmaterial“ für Schlachten aber kein Lebewesen mit eigenen Gefühlen und eigenem Wollen.

Dies Lied zeigt ganz klar die ganze Bedürftigkeit und Verlassenheit des Mannes seiner Zeit, einer Zeit, in der über das wirklich Wichtige des Lebens nie geredet wurde. Wenn wir das Lied richtig analysieren, richtet der Mann sein ganzes Sehnen auf dieses Mädchen, die ihm den eigentlichen Lebenssinn geben soll. Wie gesagt, in der offiziellen Propaganda waren deutsche Männer „Über-Menschen“. In diesem Lied spricht der Komponist aber nicht von sich oder anderen Männern. Weil sie nicht zählen. Weil sie scheinbar nichts zu geben haben.

Teil 2 folgt.

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