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Die Coolen von heute sind die Spießer von morgen 

group of people holding arms

Musik hat einen hohen Stellenwert in D. 14 Millionen von 84 musizieren noch. Gleichzeitig verbringen Jugendliche immer mehr Zeit pro Tag am Handy. 7 Stunden im Durchschnitt. Ich bin Jahrgang 69. Bei uns ging das damals mit dem C64 los. Spiele hochladen mit der Floppy Disc. Manchmal hat das so lange gebraucht, dass du die halbe Tageszeitung nochmal gelesen hattest, bevor dann auf dem Bildschirm „Play“ stand oder das Logo des Spiels zu sehen war. Ballerspiele standen damals wie heute hoch im Kurs. „Hanse“ bereitete künftige BWLer wie mich auf Kaufmännisches vor. Geiz war geil, Gier auch. Ein Mittelding zwischen Piratenspiel und Mittelaltermarkt, eben virtuell. Also ich weiß um die Faszination von nicht realen Welten. Wer damals am PC spielte, war cool. Für einen eigenen PC reichte meine Coolness nicht. Meine Eltern waren zwar für PCs (hatte ja mit Bildung und Fortschritt zu tun) aber gegen PC-Spiele. Also teilten meine Freunde ihre Coolness mit mir. Durchs Mitspielen dürfen bekam ich also auch den einen oder anderen Eiswürfel ab. Gehörte so halb dazu, und doch auch wieder nicht. Konnte etwas mitreden und dachte, dass das wichtig wäre. Ich verstehe, dass niemand ausgeschlossen sein wollte und sein will. Wir alle denken ja, dass wir leben, weil die anderen uns sagen, dass wir dazugehören. Schlimm für alle, die ausgeschlossen sind oder werden. Dabei werden aus denen oftmals die coolsten Socken. Ich bin jetzt 56 Jahre alt. Seit 46 Jahren Vereinsmitglied, seit 34 Jahren Vorstand, wenn ich Jahre mit doppelten Vorsitzenden-Ämtern hinzuzähle, habe ich 42 Vorstandsjahre auf dem Buckel. Trotz aller Faszination für neue Technik hat mir das damals allein nicht gereicht. Ich wollte Reales erleben, Leute richtig treffen, auch Verantwortung übernehmen, einen Verein auch mit voranbringen. Traditionen aktiv erleben, Neues einbringen. Was Neues auch ganz klar lernen, durchaus von Trainern, die deutlich mehr konnten als ich, die mich auch schliffen und anmeckerten, sich nicht einfach mit ein wenig „Blalala“ zufriedengaben. 

Im Team, von meinen Nebensitzern eingewiesen werden, später solche Rollen selbst übernehmend. Nochmal, mich wundert nicht, dass das Handy cool ist. Und die Plattformen und Apps darauf. Mich wundert die unglaubliche Schnelllebigkeit und die völlige Substanzlosigkeit des virtuellen Tuns. Mal ehrlich: Was bleibt vom Tage übrig? Gefilterte Bilder? Irgendein High Score? Kann dies jungen Menschen wirklich reichen? Oder auch Leuten in meinem Alter? Welche Erfolge nehmen wir abends mit in den Schlaf? Was hat uns ein gutes Gefühl gegeben, unsere Zeit sinnvoll genutzt zu haben? Wie konnten wir unsere eigenen Grenzen verschieben? 

Wodurch entstand Zusammenhalt, Kameradschaft, ein gemeinsamer Erfolg? Mir scheint, dass die Beschäftigung mit dem Handy ein Sinnbild ist: Heute noch cool, morgen spießig. Zeichen all derer, die den Absprung ins richtige Leben nicht geschafft haben. Die wie Spießer – „wir können nicht anders“ – an dem festhalten, weil es für eine Neuorientierung nicht gereicht hat. Das Leben geht vorbei, ist anderswo. Kultur wird nicht am Handy gemacht, sondern auf der Bühne. Selbst der schlechteste Rapper muss den Mut finden, sich zu präsentieren. Selbst der dümmste Text ist noch ein Zeichen von Mut, schließlich hat sich jemand getraut, was zu dichten und es anderen zu zeigen. Kultur findet durch Tun statt, nicht durch daddeln oder filtern oder die KI etwas zusammenschludern lassen. Gesang befindet sich jenseits von Coolness oder Nicht-Coolness. Gesang war schon immer, seit mindestens 42.000 Jahren. All Deine Vorfahren haben wahrscheinlich auf irgendeine Art und Weise gesungen. Schon klar, oder? Erkennst Du also die Zeichen, was das alles mit DIR zu tun hat? Jede Menge, würde ich sagen. Erkennen findet durch eigenes Zuschauen und eigenes Mitmachen statt, nicht durch die Kameralinsen des eigenen Handys. Unsere Vorurteile und kulturellen Einflüsse filtern doch schon sehr viel. Wofür brauchen wir noch weitere Filter durch die Optik unserer Handys? Wird es nicht mal Zeit für das richtige Leben? Wird es nicht mal Zeit für reale Erlebnisse und richtige, selbst erschaffene Kultur? Wann kommst Du zu den Sängern am Donnerstag in der Bismarckstraße 48 vorbei? 18.45 Lyra, 20 Uhr Söhne Schriesheims.

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