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Gesellschaftlicher Umbruch – 4

architectural photography of bridge

Vielleicht kommt eines Tages heraus, dass die Melodie von „Tage wie diese“, was wir jetzt beim Knöchelessen mehrfach gespielt haben, eigentlich Berbergesang ist und dass „Hänschen-Klein“ ursprünglich ein Mantra buddhistischer Mönche war. Und dann? Und dann singen wir das alles nicht mehr bei der Lyra und den Söhnen, weil sich eine Politik des kulturellen Schmalspurdenkens durchgesetzt hat? Was soll diese Verachtung auf Uni-Ebene nach unten, zu den einfachen Leuten, den „Spieß-Bürgern“? Die Geschichte des keineswegs banalen Rechtstitels „Bürger“ seit der athenischen und römischen Antike gehört meines Erachtens zu den großartigen Errungenschaften der Renaissance und dann der Romantiker, die unsere heutigen Gesangsvereine begründet haben. Der mit dem Konzept des Individuums verbundene Bürger-Begriff unterscheidet den Westen vom Rest der Welt, wo es diese über Jahrhunderte gewachsene Auffassung definitiv nicht gibt. Nur im Westen kam es zur Teilung der weltlichen und geistlichen Macht. Nur hier konnte aufgrund der Erfindung des Individuums überhaupt erst eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei aufkommen. Wir sind also nicht nur Sänger, wir sind Bürger-Sänger. Also, wer nicht will, dass das singbare Repertoire der Lyra kleiner wird, muss als Bürger-Sänger Einfluss nehmen, selbst seine Stimme finden. Mal von der Couch runter und sich anschließen. Wer seinen Kindern in der Zukunft noch was von Elvis oder sogar was Souliges oder gar ein altes Volkslied vorsingen möchte, sollte zu uns kommen. Wir wollen das Liedgut verbreitern, Traditionen erhalten, Neues draufsatteln. Eben das singen, was die Menschen eben singen. Ein afrikanisches Sprichwort sagt völlig zu Recht: „Willst Du schnell vorankommen, geh allein. Wenn Du weit kommen willst, gehe zusammen“.  Und noch was, und deshalb lohnt es sich auch für die Lyra und die Söhne an ihren christlichen Wurzeln auch festzuhalten: Die Idee der Dialektik. Was ist damit gemeint? Jesus ist vollständig göttlich, aber auch ein vollständiger Mensch. Also ist er nur ein Teil Gottes und nicht komplett mit ihm identisch (denn es gibt ja auch noch den Heiligen Geist). Damit ist Jesus Teil Gottes, aber auch Botschafter von oben herunter hin zu den einfachen Menschen und von diesen wieder zurück hinauf zum Göttlichen. Dieses Zwiedenken ist unser kulturelles Erbe, eben die Dialektik. Differenziertes – nicht einseitiges – Denken. Denken in Gegensätzen und in möglichen Brücken dazwischen. Aber auch die Unterschiede im Denken existieren lassen. Das drückt auch das religiöse Liedgut der Lyra wie „Ich bete an die Macht der Liebe“ oder „Die Rose“ aus. Hört genau hin, macht mit. Ende der Serie.

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