Dazu kommt, dass Männer und Frauen für sich selbst neue Rollenmuster und Selbstverständnisse finden müssen. Wer macht was? In Beruf, Partnerschaft, Ehe? Die gute Nachricht ist, dass wir nicht wieder die Kämpfe der letzten Jahrzehnte ausfechten müssen. Niemandem, schon gar nicht den Männern nützte es irgendetwas, wenn Frauen ihre gesellschaftlichen Rollen und Einfluss, ihren Wunsch nach Selbstentwicklung und Selbstfindung zurückstellten oder gar zurückdrehten.
Denn die wichtigste Frage bliebe damit unbeantwortet: Was sind wir Männer? Was ist UNS wichtig? Wer sind WIR SELBST? Da mal richtig hinzuschauen, würde sich sehr lohnen. Nicht etwa anderen die Schuld zu geben, dass die Situation so ist, wie sie eben ist. Sich mal einzugestehen, dass wir Männer für uns selbst einstehen müssen. Das ist keine leichte Aufgabe. Unsere Vorfahren konnten es nicht. Sie folgten einem gescheiterten Maler und einem Kaiser. Heraus kamen 8 Mio. tote Knaben und Männer in zwei Weltkriegen.
Wir Lyraner singen an jedem Volkstrauertag noch heute darüber. Machen wir es besser? Wenn ich den ersten Teil der Serie durchlese, was wir uns alles an Stress zumuten, um uns nach außen hin besser, schöner, reicher, muskulöser, sportlicher darzustellen, eher nicht. Die Serie 400×100 hat aufgezeigt, dass wir Lyraner in einer langen Traditionsreihe stehen. Damals wie heute stand die Kameradschaft im Vordergrund. Gemeinsam das Leben bewältigen, füreinander da sein. Ein normales Leben führen, aber im Gesang Erfüllung, Hoffnung, Schönes zu finden. Wenn wir mal richtig hinschauen, ist „Ol‘ Man River“ auch ein Song der Lyra für die normalen Leute von heute. Die ihren Job machen, gesellschaftlich nicht hochstehen, aber auch ihre Sehnsüchte haben. Dass es den Kindern mal besser geht, einen Platz zu finden, wo man anerkannt und akzeptiert wird, so fehlerhaft wie wir eben sind. Der Alte Joe in „Ol‘ Man River“ schippt tagein und tagaus Kohlen in den Ausflugsdampfer. Wenn er es nicht täte, stünde das Schiff still, niemand könnte reisen. Er hat also Macht, die er aber nicht einsetzt, weil er verzagt ist. Zu lange hat ihm niemand einen Ausweg aufgezeigt.
„Was kann das Leben uns Männern geben?“ Das ist sicherlich auch eine Frage, die sich viele Industriearbeiter gestellt haben, die früher bei der Lyra gesungen haben. Diese Frage ist auch relevant für alle Männer, die viel mehr verdienen, aber auch instinktiv wissen, dass sie nie genügen können. Vor sich selbst. Vor anderen. Die Lyra fragt nicht, wer was hat, verdient. Es ist uns egal. Einzig und allein zählt, ob jemand Kamerad sein möchte und im Singen einen Hoffnungsschimmer sieht. Teil 3 folgt.