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Das Frauenbild im deutschen Volkslied – III

man holding baby s breath flower in front of woman standing near marble wall

Reaktionärer Kitsch oder unabdingbare Grundlage des modernen, bürgerlichen Individuums?

Warum ist das für die Entwicklung des Individuums so wichtig? Warum wird dies musikalisch/textlich so herausgestellt? Nun, schauen wir uns mal die Oper „Don Giovanni“ an. Don Giovanni ist die italienische Version des spanischen Don Juan, eines Mannes, der zahllose Frauen erobert und sie dann wieder verlässt. Mozart hat die Musik komponiert, das Libretto stammt vom Venezianer Da Ponte. In der berühmten „Registerarie“ rühmt Don Giovannis einfacher Diener Leporello – zwar spöttisch, aber immerhin – die Eroberungskünste seines adligen Herren. 2.065 Damen soll Don Giovanni in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich für sich gewonnen haben, ja sogar in der Türkei will der Gute die hohen Haremsmauern überwunden und immerhin 91 Frauen „beglückt“ haben. Don Giovanni wird in der Oper als „junger Adliger“ bezeichnet, wahrscheinlich im Alter von 24-28. Ein junger Adliger wurde damals mit 15 in die Erotik eingeführt. 2.065 Damen in 10-13 Jahren, „Respekt“, da muss er ja Tag und Nacht „ohne Unterlass gewirkt“ haben.

Der „große“ Casanova soll, so will es die Legende, versucht haben, seinen Landsmann Da Ponte davon zu überzeugen, sein (Liebes-)Leben als Grundlage des Librettos zu nehmen. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass sich Da Ponte und Mozart 2 Jahre vor der französischen Revolution mit der Figur des Don Giovanni (der ja am Ende der Oper in die Hölle expediert wird) nicht nur über Casanova sondern über den gesamten Adel lustig machen und diese/n anklagen.

Anders als im Film „Amadeus“ dargestellt, ist die Oper keine Selbstanklage Mozarts (der seine Erotik- und Kot-Phantasien brieflich ausdrückte und ansonsten ein recht biederer Zeitgenosse war), sondern eine brisante politische Stellungnahme gegen den Adel. Immerhin in Italienisch, das verstanden die Zuhörer/innen nicht. Don Giovanni geht über Leichen. Er zeigt jeder Frau die Maske, die ihn zum Ziel führt, aber niemals ein einziges aufrichtiges Gefühl. Sehen Sie jetzt den klaren Unterschied des Volkslieds und der darin besungenen Frauengestalten? Don Giovanni hat niemals „die eine“ oder „die einzige“. Er kann sich gar nicht binden, selbst wenn er wollte. Er weiß nicht, wie das geht. Im Grunde genommen wird in dieser Oper der Adel tiefenpsychologisch seziert. Entblößt, nackt wie der Kaiser in „des Kaisers neue Kleider“.

…weiter in der nächsten Woche.

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