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Hans Pfitzner und die Disteln für Hagen – 2

Tatsächlich war Fernau ein antidemokratischer Reaktionär, der seine Ideen mit Ironie hübsch verpackte. Ein SS-Obersturmführer, der während des Zweiten Weltkriegs Kriegsberichte und viel gelesene Durchhalteartikel über deutsche Wunderwaffen schrieb. Schon damals erreichte er ein Millionenpublikum. Nicht zu vergessen die damals sehr bekannte Schriftstellerin Luise Rinser, die 1984 als Bundespräsidentin kandidierte. Und gemäß ihrem Biographen „als junge Nazi-Größe [ab 1933] schnell Karriere machte“ und intensive Lobgedichte auf Hitler schrieb. Diese Verehrung übertrug sie dann auf den nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung. Sowohl bei Carrell, Fernau, Rinser, als auch bei Pfitzner war bekannt, was diese im Dritten Reich gemacht hatten. Zugleich waren der 70er-Jahre die Zeit der RAF-Morde. Der Nachrüstungsdebatten und der Ängste vor einem Dritten Weltkrieg. Die Zeit naiver, weltbewegter und verbohrter Eiferer, die entweder das Dritte Reich oder den Kommunismus jeglicher Art und Weise und natürlich die DDR eifrig verteidigten. Die ideologischen Gräben waren tief. So, im Nachhinein betrachtet, war die „gute alte Zeit“ der Bonner Republik doch sehr viel bewegter und unfriedlicher als gedacht, nicht wahr? In einer Zeit, in der der SS-Obersturmführer Fernau zum „temperamentvollen Konservativen“ umetikettiert werden konnte, in der also wenige bis gar keine Fragen gestellt wurden, ist es nicht unerklärlich, warum auch keine Fragen zu Hans Pfitzner aufkamen, der wie Fernau und Millionen Deutsche vor und nach 1945 einen „starken Mann“ wünschte. Millionen Deutsche waren als frühere PGs in die Taten des Dritten Reiches mittelbar oder unmittelbar involviert. Vieles wurde in der Tat gewusst und später schamhaft verschwiegen. In Schriesheim kam es 1952 zur Wiederwahl des früheren NS-Bürgermeisters. Nur dem Einfluss und dem entschiedenen Handeln des Schriesheimer Landtagsabgeordneten Hans Schloß ist es zu verdanken, dass es zu keiner Amtsübernahme kam. Hanns Schloß wäre ein Kandidat für die nächste Schriesheimer Platz/Straße-Benennung. Warum erwähne ich das alles? Weil Millionenseller das Denken beeinflussen sowie die Vorgänge in Bund, Land und in der Stadt, ihre Zeit, die Fragen der Zeit und die Fragenden selbst. Ob Fragen überhaupt gestellt werden und wenn ja, welche. In einer stummen Zeit werden keine Fragen gestellt. So oder so. Deshalb stellen wir die Fragen jetzt und wir beginnen mit der Familiengeschichte des Pfitzners. Die Pfitzners stammen aus der Region südöstlich von Leipzig, zwischen den Orten Borna und Frohburg. Die ersten Pfitzners sind in den Kirchenbüchern ab dem Ende des Dreißigjährigen Krieges erfasst. Teil 3 folgt.

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