Niemand schaut auf uns herab, sondern alle schauen zu uns auf. Das Publikum sitzt unten, wir stehen oben auf der Bühne. Und dennoch schauen wir nicht herab auf unser Publikum, sondern leben von den Geschenken in Form von Beifall und Zustimmung. In einer offenen Wechselbeziehung. Sozusagen eine immer wiederkehrende „Love Story“. Warum umhüllt uns die Energie dieser 40.000 Jahre?
Weil unsere Atemluft aus Milliarden und Abermilliarden von Molekülen besteht. Luft verschwindet genauso wenig wie Wasser auf dieser Erde. Es gibt einen Wasser- und einen Lufthaushalt auf dieser Erde. Kreisläufe, die sich verlagern, mal stärker, mal schwächer werden, aber nie ganz verschwinden.
D.h. ein Tropfen Wasser, den wir oben im Russischen Nordmeer hineinschütten, wird im Laufe der Zeit irgendwann durch die vielen Meeresströmungen auch nach Südamerika, Tahiti, an den Küsten der Namibwüste oder an der Nordseeküste und der Antarktis auftauchen. Er geht nicht verloren.
Wenn wir atmen, atmen wir folglich auch einige Moleküle von Menschen ein, die schon gestorben sind (oder noch lebenden Berühmtheiten). Möglicherweise pro Atemzug einige von Maria Callas geatmeter Moleküle. Oder von Clara oder Robert Schumann, Beethoven, Mozart, Mick Jagger und AC/DC.
Leider auch von Stalin, Hitler, Mussolini, Mao, Pol Pot, Castro, Kim Il Sung und Putin. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber auch einige wenige Moleküle und die damit verbundene Energie der Sänger/innen von vor 40.000 Jahren. Daher umgibt uns auch deren Energie bis heute.
Wie heißt es so schön, wir singen nicht gut, weil wir jede Note korrekt wiedergeben. Das natürlich auch. Sondern weil wir „die Energie ziehen“ können, die uns umgibt. Was für eine Energie ist das vor 40.000 Jahren gewesen? Warum gerade vor 40.000 Jahren?
Kommen Sie mit auf eine lange Reise …
Die nachweislich ältesten Flöten wurden aus Tierknochen, vor allem von Vögeln, und aus Mammutelfenbein hergestellt. Flöten aus weniger dauerhaftem Material (beispielsweise Holz) konnten aus dieser Zeit nicht nachgewiesen werden, sind aber durchaus denkbar.
Als älteste erhaltene Blasinstrumente der Welt gelten die 35.000 bis 43.000 Jahre alten steinzeitlichen Knochen- und Mammutelfenbeinflöten, die auf der Schwäbischen Alb gefunden wurden. Warum sind Flöten so wichtige Hinweise auf Gesang? Nun ja, vor jeder Gesangsstunde – und dass wird bei anderen Chören nicht anders sein – machen wir bei Lyra kurze Atemübungen. Wir atmen ein, halten die Luft kurz an und lassen sie dann kontrolliert ausströmen, um dann den Rest der Luft mit einem Ruck auszustoßen.
3. Teil folgt.