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400×100 – Teil 3

person holding container with seaweed

Wer eine Flöte gebaut hat, muss also diese Strömungsverhältnisse gewusst, erkannt und technisch auf ein anderes Material übertragen haben. Bevor es also eine Flöte gegeben haben kann, muss es Gesang gegeben haben. Tonerzeugung durch Ein- und Ausströmen von Luft in und aus dem menschlichen Körper. Und der erste Gesang eines Menschen hat sich bestimmt an den Geräuschen der umgebenden Natur orientiert. Wenn wir Vogelstimmen lauschen, ergeben sich Tonfolgen. Auch das Keckern der Eichhörnchen und viele andere Tierstimmen haben Rhythmen und Tonfolgen. 

Wer also ein Instrument bauen kann, muss die Muße gehabt haben, diese Zusammenschau zu sehen, zu analysieren und Lösungen und Materialien auszuprobieren. Das ist eine Technik- und Geistesarbeit, die sich möglicherweise über Generationen erstreckt und perfektioniert hat. Von den Flöten dieser Zeit ist am besten die Gänsegeierflöte vom Hohlefels erhalten, eine aus der Speiche eines Gänsegeiers hergestellte Flöte. Sie wurde im Sommer 2008 in der Höhle Hohle Fels bei Schelklingen gefunden und ist Teil der Dauerausstellung des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren. Ein ausgewachsener Gänsegeier kann bis zu 1m10 groß und eine Spannweite von 2m70 erreichen. Ausgerüstet mit einem scharfen Schnabel und scharfen Krallen sind solche Vögel keine leichten Gegner, insbesondere dann nicht, wenn sie mit Menschen um erlegte Tierreste rivalisieren. Gänsegeier erkunden zunächst alleine das Gebiet und entfernen sich bis zu 60 km von ihrem Horst. Sie beobachten aber dabei ständig ihre Artgenossen. Können sie aufgrund des Verhaltens daraus schließen, dass ein Artgenosse Beute entdeckt hat, sammeln sich die Geier in Rudeln, um das Entdeckte/Gejagte/Erlegte dann auch gemeinsam zu verteidigen (und zu vertilgen). 

Wenn also eine Flöte aus den Knochen eines Gänsegeiers geschnitzt wurde, bedeutete das vorher einen gefährlichen Kampf. Möglicherweise wurde der Geier mit Pfeil und Bogen erlegt, aber auch durch Keulenschläge. Gegen Letzteres dürfte sich der Geier vehement gewehrt haben. Verletzungen beim Menschen waren nicht auszuschließen. Und viele der gefundenen CroMagnon Menschen Skelette von vor 40.000 Jahren hatten Verstümmelungen an den Fingern. Möglicherweise genau von solchen Auseinandersetzungen. Die o.g. Flöte wurde in den Schichtlagen des Aurignacien gefunden. Das Aurignacien ist die älteste archäologische Kultur des europäischen Jungpaläolithikums, und zeitgleich mit der Ausbreitung des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens und Cro Magnon) in weiten Teilen West-, Mittel- und Osteuropas. Der Cro Magnon Mensch löste den Neandertaler ab und trat zum ersten Mal vor ca. 45.000 Jahren auf.
Teil 4 folgt. 

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